Der Hammerteich in Witten: Vom industriellen Kraftzentrum zum romantischen Gedächtnisort

Mitten im Herzen des Wittener Stadtgebiets, nur einen Spaziergang entfernt von der Innenstadt, eingebettet in das Grün des Stadtparks, liegt ein Gewässer, das weit mehr ist als nur ein idyllischer Teich: Der Hammerteich. Was heute wie ein verwunschener Ort der Ruhe und Erholung wirkt, war einst ein Zentrum industrieller Produktion, ein Schauplatz gesellschaftlicher Umbrüche und ein Brennglas für die Entwicklung der Stadt Witten – ein Ort mit viel Geschichte und noch mehr Geschichten.

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Ursprung: Geboren aus dem Borbach

Ohne den Borbach gäbe es den Hammerteich nicht. Der etwa 7,3 Kilometer lange Bach entspringt im Ardeygebirge und bringt nicht nur Wasser, sondern auch Sedimente und Geschichten mit sich. Seine rund zwei Prozent Gefälle qualifizieren ihn als Gebirgsbach – eine Tatsache, die für die industrielle Nutzung von entscheidender Bedeutung war.

Hammerteich in Witten (Foto: Marek Schirmer)
Hammerteich in Witten (Foto: Marek Schirmer)

Bereits im frühen 18. Jahrhundert wurde diese Energiequelle genutzt. 1722 erhielt der Remscheider Unternehmer Peter Lange die Genehmigung, an dieser Stelle ein Hammerwerk zu errichten. Der eigens dafür aufgestaute Teich wurde zum Namensgeber: „Hammerteich“ ist kein Eigenname, sondern ein technischer Begriff für einen Stauweiher, der die Energie für ein Hammerwerk liefert.

Industriegeschichte: Hämmer, Feuer und Eisen

Peter Lange wollte hier drei Hämmer betreiben – es blieb bei einem. Der Damm brach, das ambitionierte Projekt musste reduziert werden. Doch für Witten war es der Beginn einer neuen Ära. Auf dem Gelände, das heute als Naherholungsgebiet dient, hämmerte es einst laut. Wo heute Kinder spielen, lagen einst Werkhallen, es wurde Stahl geschmolzen, gewalzt und verarbeitet. Lange betrieb sogar eine eigene Zeche – die „Hammerbank“ in Heven – um die nötige Kohle zu liefern. Der Hammerteich war ein Ort des Lärms, der Hitze und des Rußes. Spazieren ging hier niemand.

Hammerteich in Witten (Foto: Marek Schirmer)
Hammerteich in Witten (Foto: Marek Schirmer)

Erst als das Hammerwerk um 1895 endgültig den Betrieb einstellte, veränderte sich die Nutzung des Areals. Weitere Industriebetriebe, wie Zechen und eine Waschanstalt, verschwanden bis etwa 1910. Dann griff die Stadt Witten zu.

Vom Ruß zur Romantik: Der Wandel zum Freizeitparadies

Mit dem Kauf des Hammerteich-Geländes und des angrenzenden Hohensteins setzte die Stadt Witten ein starkes Zeichen. Sie plante kein Neubaugebiet, keine neue Industrie – sondern ein Naherholungsgebiet. Und das in einer Zeit, in der „Spazierengehen“ erst langsam als Freizeitaktivität im Bürgertum ankam.

Doch Witten war seiner Zeit voraus. Bald schon war der Hammerteich ein Magnet für Ausflügler aus dem gesamten Ruhrgebiet. Der Teich wurde im Sommer zum Badeplatz – legal oder illegal. Er wurde im Winter zur Eisfläche – mit Konzerten, Feuerwerk und Schlittschuhverleih. Der Bootsverleih war ebenso beliebt wie umstritten: nicht selten verschwanden Boote in Vollmondnächten spurlos.

In den 1920er Jahren wurde der Hammerteich liebevoll „Wittener Stadtsee“ genannt. Die Stadt investierte in Pflege, Unterhaltung und Fischbesatz. Auch kulturell spielte er eine Rolle – Konzerte, Wahlkampfaktionen, sogar ein kommunistisches Wahlboot zierten zeitweise die Wasserfläche.

Der Teich in der Krise: Versickerung, Verlandung und Fischsterben

Doch die Idylle war nie selbstverständlich. Immer wieder drohte dem Hammerteich der Verfall. 1918 sprengte der Borbach den Damm, die Wasserfläche versickerte durch Bergschäden. 1923 war der Teich leer – und wurde mit Notstandsarbeitern per Hand wieder ausgebaggert und instandgesetzt. Der Einsatz lohnte sich: Ab 1925 war der Hammerteich wieder voll funktionsfähig.

Doch das Problem blieb – Sedimente aus dem Ardey füllen den Teich unaufhaltsam. Die Verlandung ist eine Dauerkrise, die zuletzt bedrohlich wurde. Eine kleine Insel am Ostende des Teichs ist längst zu Fuß erreichbar. Das Gewässer ist so flach, dass weder Fische noch ein funktionierendes Ökosystem gedeihen können.

Ein Ort mit Geschichte – und mit Zukunft?

Seit 2017 steht der Hammerteich unter Denkmalschutz. Die Initiative Hammerteich e.V. kämpft seither für seinen Erhalt. Dank ihres Engagements hat die ESW – die Entwässerung Stadt Witten – nun angekündigt, ein Entschlammungsprojekt auszuschreiben. Ziel: Den Sauerstoffgehalt wieder auf ein Niveau zu bringen, das Leben im Wasser ermöglicht.

Hammerteich in Witten (Foto: Marek Schirmer)
Hammerteich in Witten (Foto: Marek Schirmer)

Vollständig wird der Hammerteich nicht zurückkehren zu seiner alten Größe oder Tiefe. Der verlandete Teil bleibt als Biotop erhalten. Und auch das sogenannte „Schlammmanagement“, also die Frage, wie künftig der Zulauf von Sedimenten kontrolliert werden kann, ist ungelöst. Doch die Hoffnung lebt, dass der Hammerteich auch in Zukunft ein lebenswerter, naturnaher und geschichtsträchtiger Ort bleibt.

Ort der Freude, der Kultur – aber auch des Schmerzes

Der Hammerteich ist nicht nur Naherholungsgebiet. Er ist auch ein stiller Zeuge tragischer Geschichten. Menschen, die hier im Winter einbrachen, weil das Eis nicht trug. Menschen, die im Sommer ertranken, weil sie nicht schwimmen konnten. Menschen, die in ihrer Verzweiflung keinen anderen Ausweg sahen, als sich in seinen Wassern das Leben zu nehmen.

All diese Geschichten machen den Hammerteich zu einem Gedächtnisort – nicht nur für die industrielle Vergangenheit der Stadt, sondern auch für ihre sozialen, kulturellen und menschlichen Entwicklungen.

Hör rein in die ganze Geschichte: Der Hammerteich im Breddeviertel-Podcast

Diese bewegte Geschichte wird lebendig im „Breddeviertel Podcast aktuell“ mit Ralph Klein und Kerstin Glathe. In der neuesten Folge nehmen sie die Hörer:innen mit auf einen Spaziergang von der Innenstadt über das Haus Witten bis hin zum Hammerteich – und tief hinein in dessen Vergangenheit.

Mit viel Liebe zum Detail, fundierten historischen Recherchen und lebendigen Anekdoten erzählen sie, wie der Hammerteich wurde, was er heute ist: Ein Ort zwischen Industriegeschichte, Naturidylle und städtischer Zukunftsplanung.

Schildkröte im Hammerteich (Foto: Marek Schirmer)
Schildkröte im Hammerteich (Foto: Marek Schirmer)

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