Bunte Botschaften auf Beton: Feministisches Graffiti-Projekt verwandelt Witten

Häuserfassaden als Leinwand, Spraydosen als Pinsel und künstlerische Handschrift als Stimme für Sichtbarkeit: Anfang Juli hat die Stadt Witten eine farbenprächtige Transformation erlebt. Ein feministisches Graffiti-Festival (Femgazed Festival), initiiert und organisiert von der Projektleiterin Kata Kern, hat zehn Fassaden im Stadtgebiet in beeindruckende Kunstwerke verwandelt – legal, gefördert, sichtbar und politisch. Die Idee: mehr Sichtbarkeit für weibliche Kunst im öffentlichen Raum. Gefördert wurde das Projekt durch den Quartiersfonds Witten, der auch die ungewöhnliche Kombination von Graffiti-Workshops mit Seniorinnen möglich machte.

Hier klicken, um den Inhalt von Spotify anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von Spotify.

Über dieses bemerkenswerte Projekt spricht Kata Kern in der aktuellen Folge des „Breddeviertel Podcast aktuell“, gehostet von Kerstin Glathe – diesmal ohne den sonstigen Co-Moderator Ralph Kelin, dafür mit einer eindrucksvollen Tour durch die neu gestalteten Straßen von Witten.

Graffiti als Ausdruck – nicht nur nachts und nicht nur Männer

Was ist eigentlich Graffiti heute? Diese Frage stellte Kerstin Glathe zu Beginn der Podcastfolge – und trifft damit einen Nerv. Denn während viele bei dem Begriff Graffiti noch immer an illegale Schriftzüge im Morgengrauen denken, zeigt das Projekt von Kata Kern, dass urbane Wandgestaltung längst neue Wege geht.

Wir haben ein feministisches Fassadenfestival gemacht, bei dem zehn Künstlerinnen eine Woche lang zehn verschiedene Fassaden in Witten gestaltet haben“, erklärt Kata im Podcast. „Feministisch in dem Sinne, dass wir den Fokus auf weibliche Perspektiven und Kunstformen gelegt haben.“ Dabei sei Graffiti nicht zwangsläufig illegal oder subversiv – sondern könne auch legal, abgestimmt und gesellschaftlich relevant umgesetzt werden.

Ein Festival für alle Generationen

Rolltor der Tagespflege in der Wiesenstraße – gestaltet von Seniorinnen im Rahmen eines Workshops. (Foto: Dana Schmidt)
Rolltor der Tagespflege in der Wiesenstraße – gestaltet von Seniorinnen im Rahmen eines Workshops. (Foto: Dana Schmidt)

Besonders hervorzuheben: Die Graffiti-Workshops mit Seniorinnen. Gefördert vom Quartiersfonds, wurde hier generationsübergreifend gearbeitet – ein Format, das selten ist und für viel Begeisterung sorgte. „Die Seniorinnen haben das Rolltor der Tagespflege im Wiesenviertel gestaltet – das war einfach großartig“, sagt Kata.

Die Aktion zeigte: Graffiti kann Brücken bauen. Zwischen Generationen. Zwischen Kulturen. Zwischen dem Sichtbaren und dem oft Unsichtbaren.

Senior bemalt im Rahmen eines Workshops das Rolltor der Tagespflege in der Wiesenstraße. (Foto: Dana Schmidt)
Senior bemalt im Rahmen eines Workshops das Rolltor der Tagespflege in der Wiesenstraße. (Foto: Dana Schmidt)

Die Kunstwerke: Ein Spaziergang durch Wittens neue Fassaden

Im Podcast führt Kata durch die Tour der zehn Fassaden – ein Spaziergang durch Wittens Innenstadt, der die Transformation des Stadtbilds greifbar macht.

Gizem Erdem gestaltet das Gebäude Ruhrstraße 27 an der Ecke zur Oststraße. (Foto: Dana Schmidt)
Gizem Erdem gestaltet das Gebäude Ruhrstraße 27 an der Ecke zur Oststraße.(Foto: Dana Schmidt)

Die Route (Auswahl):

  • Wiesenstraße, neben dem Lokal: Rolltor der Tagespflege – gestaltet von Seniorinnen.
  • Casinostraße 2: Rückwand mit Picknick-Motiven von Gisa Won.
  • Ruhrstraße 27: Früher ein Schandfleck, heute ein strahlender Farbtupfer von Gizem Erdem.
  • Oststraße/Obergasse: Wand von Fluffy Wongo, nahe dem alten Busbahnhof.
  • Ecke Breddestraße/Bahnhofstraße: Großflächige Arbeit mit floralen Elementen und Tropfen von Anne Brauer, unterzeichnet mit „Amour Fou“.
  • Breddestraße 29: Farbintensives Werk von Hülja, mit kulturellen Elementen türkischer Teppichkunst.
  • Parkweg 10a: Werk von Choko, einem lokalen Künstler aus Witten.
  • Saalbau Rückseite: Drei Seiten umfassendes Werk von Carla Distelhorst und ein Tor gestaltet von Marin Marino.

Eine Wand ist zum Zeitpunkt des Podcasts noch unvollendet – das Wetter machte den Planungen einen Strich durch die Rechnung. Doch Kata versichert: „Die wird auf jeden Fall noch fertig gemacht.“

Sichtbarkeit und Repräsentation: Frauen im Graffiti

Neben der künstlerischen Qualität liegt die eigentliche Stärke des Projekts in seiner Haltung. „Frauen sind im Graffiti massiv unterrepräsentiert – vor allem im klassischen, oft illegalen Bereich“, sagt Kata. „Uns war wichtig, Räume und Sichtbarkeit zu schaffen. Nicht nur für Kunst, sondern für Künstlerinnen.“

Mitorganisiert wurde das Festival von der Fotografin Dana Schmidt und Anne Brauer, die selbst eine Fassade gestaltete.

Casinostraße 2: Rückwand mit Picknick-Motiven von Gisa Won. (Foto: Dana Schmidt)
Casinostraße 2: Rückwand mit Picknick-Motiven von Gisa Won. (Foto: Dana Schmidt)

Die Rückmeldungen aus der Bevölkerung? Überwältigend positiv. Während der Arbeitswoche wurden die Künstlerinnen von Passanten angefeuert, es wurde gewunken, gehupt, begeistert diskutiert. Besonders die Wand an der Ruhrstraße, ehemals ein heruntergekommenes Gebäude, sei nun zu einer Art „Landmarke“ geworden – ein sichtbares Zeichen, dass sich in Witten etwas bewegt.

Urban Art als Stadtentwicklung

Die Stadt Witten profitiert sichtbar von dieser künstlerischen Intervention. Die neuen Werke schaffen Identifikation, Gesprächsanlässe, ästhetische Aufwertung – aber auch ein Statement: Unsere Städte gehören allen, und Kunst im öffentlichen Raum ist kein Luxus, sondern ein Ausdruck von Gemeinschaft, Vielfalt und Teilhabe.

Ecke Breddestraße/Bahnhofstraße: Großflächige Arbeit mit floralen Elementen und Tropfen von Anne Brauer, unterzeichnet mit „Amour Fou“. (Foto: Dana Schmidt)
Ecke Breddestraße/Bahnhofstraße: Großflächige Arbeit mit floralen Elementen und Tropfen von Anne Brauer, unterzeichnet mit „Amour Fou“. (Foto: Dana Schmidt)

„Wir wünschen der Stadt Witten viel Schönheit.“

Mit diesen Worten beendet Kerstin Glathe die Podcast-Folge – und trifft damit den Kern. Denn das Festival von Kata Kern zeigt, dass Kunst im öffentlichen Raum mehr kann, als dekorativ zu sein. Sie kann Räume öffnen, Dialoge anstoßen, Geschichten erzählen – und Stadt verändern.

Podcast-Tipp: „Breddeviertel Podcast aktuell“ – Folge mit Kata Kern über das feministische Graffiti-Festival in Witten

Moderation: Kerstin Glathe

Weitere Informationen (Instagram) und Homepage

Barrierefreiheit