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Witten. Wer heute durch den Breddegarten nahe der Breddestraße spaziert, sieht auf den ersten Blick vor allem eine Baustelle: aufgewühlte Erde, abgesägte Baumstümpfe, Planierraupen, verwaiste Sitzgelegenheiten. Doch hinter dem scheinbaren Chaos steckt ein Plan – ein ambitioniertes städtebauliches Projekt, das weit mehr ist als nur die Neugestaltung einer kleinen Grünfläche. Der Breddegarten steht exemplarisch für die Entwicklung eines ganzen Stadtviertels – und für das Ringen um sozialen Zusammenhalt, historische Verantwortung und urbane Lebensqualität.
Ein Viertel, das sich erinnert
„Der Ralph Klein und ich sitzen jetzt im Breddegarten“, beginnt Kerstin in der neuen Staffel des Breddeviertel-Podcast aktuell. Eine Formulierung, so beiläufig wie aufschlussreich: Denn dieser Ort, der neugestaltet wird, ist tief verwurzelt in der Geschichte des Breddeviertels – und im kollektiven Gedächtnis seiner Bewohner*innen.
Ralph Klein hat sich auf Spurensuche begeben. Im Stadtarchiv Witten fand er Akten, Fotos und Zeitzeugenberichte, die einen faszinierenden Einblick geben in die Vergangenheit des Breddegartens. Entstanden ist dabei ein Bild von einem Ort, der über Jahrzehnte hinweg Spiegel gesellschaftlicher Umbrüche war.
Von Trümmerfläche zum Volksgarten
Nach dem Zweiten Weltkrieg lag das Gelände des heutigen Breddegartens weitgehend in Schutt und Asche. Die Bombardierungen hatten hier – wie in 80 % der Wittener Innenstadt – ganze Arbeit geleistet. Es war eine Trümmerlandschaft, eine Hundetoilette, ein Abstellplatz für Müll und ein Abenteuerspielplatz der improvisierten Art. Erst mit dem Baustopp der groß angelegten Innenstadt-Sanierung Ende der 1970er-Jahre – unter anderem durch Proteste wie die Hausbesetzung in der Bahnhofstraße 54 – kam Bewegung in die Stadtplanung.

Der damalige Stadtbaurat Jochen Bültmann erkannte frühzeitig den Wandel der gesellschaftlichen Debatte: Weg von autogerechter Planung hin zu lebendigen Stadträumen mit Bürgerbeteiligung. So entstand 1985 – nach langen Diskussionen und einem verlorenen Gerichtsprozess der Boecker-Stiftung – der „Volksgarten“ Breddegarten. Es war ein urbanes Experiment: 16 Mietergärten, ein Spielplatz, ein Schulgarten, Aufenthaltsbereiche. Ein Garten für alle.
Streit, Stimmen und Stadtkonflikte
Doch der Weg dorthin war gepflastert mit Konflikten. Besonders die Boecker-Stiftung, deren Altenheim an den Garten angrenzt, klagte gegen die Anlage des Spielplatzes. Die Begründung: Kinderlärm sei eine unzumutbare Belastung – vor allem, weil der Anteil sogenannter „Gastarbeiter-Kinder“ zugenommen habe. Eine rassistische Argumentation, wie Ralph Klein mit kritischem Blick analysiert. Seine historische Recherche enthüllt außerdem: Das Stiftungskapital stammt teilweise aus einem „Arisierungsgeschäft“ der NS-Zeit. Eine unbequeme Wahrheit, mit der sich die Stiftung bis heute kaum öffentlich auseinandergesetzt hat.
Der Breddegarten wurde trotz Widerstand realisiert – und funktionierte anfangs erstaunlich gut. Kinder spielten, Nachbarn gärtnerten, Anwohner ruhten sich auf Bänken aus. Ein Ort für alle Generationen. Doch mit den Jahren kamen die Probleme: Überalterung der Pächter, Vernachlässigung, Vandalismus, zunehmende Vermüllung.
Jetzt wird alles neu – oder?
2025 wird der Breddegarten 50 Jahre alt. Und er soll sich grundlegend wandeln. Die Stadt Witten plant einen modernen, inklusiven Freiraum mit Spielplätzen, Bildungsflächen, Aufenthaltsqualität – alles finanziert über das Landesprogramm „Lebendige Zentren“. Geplant ist eine gestalterische Verbindung zwischen Bahnhofstraße und Breite Straße – die sogenannte „Bürgerachse“.

Doch die Euphorie ist gedämpft. Ralph Klein nennt die Sprache der Stadtplanung „vage Plastikwörter“. Worte wie „urbaner Lebensraum“, „Gartenlabor“, „kreativ-inklusives Begegnungsformat“ – sie klingen gut, lassen aber viel Interpretationsspielraum.
Hinzu kommt: Für die Pflege der Anlage gibt es keine zusätzlichen Mittel. Der bestehende Reinigungsdienst soll „mitmachen“. Wie das langfristig funktionieren soll, bleibt offen. Es droht das gleiche Schicksal wie nach der ersten Eröffnung: ein langsames Verwildern durch fehlende Pflege und Ressourcen.
Und doch: Hoffnung durch Erinnerung
Trotz Skepsis bleibt der Breddegarten ein Ort mit Potenzial. Nicht nur wegen seiner zentralen Lage oder seiner ökologischen Bedeutung – sondern wegen der Geschichten, die in ihm wohnen. Die Kinder der 3B, die sich 1979 mit selbstgemalten Bildern für bessere Spielmöglichkeiten einsetzten. Die Mieter, die mit viel Hingabe kleine Gärten pflegten. Die Jugendlichen, die hier Musik hörten, diskutierten, erwachsen wurden.

All diese Geschichten werden im Breddeviertel-Podcast lebendig gehalten. Die neue Staffel, „Breddeviertel-Podcast aktuell“, begleitet die Umgestaltung des Breddegartens kritisch, persönlich und fundiert. Kerstin und Ralph machen nicht nur Stadtgeschichte hörbar – sie geben dem Viertel eine Stimme. Eine Stimme, die sich einmischt, hinterfragt und zugleich mit großer Liebe auf das Viertel blickt.
Fazit: Der Breddegarten als Spiegel der Stadt
Der Breddegarten ist mehr als eine Grünfläche. Er ist Symbol und Streitpunkt, Rückzugsort und Experimentierfeld. Seine Vergangenheit ist eng verwoben mit der Geschichte der Wittener Stadtentwicklung – mit ihren Erfolgen, Widersprüchen und blinden Flecken. Die aktuelle Umgestaltung bietet eine neue Chance. Doch damit sie gelingt, braucht es mehr als Pläne und Bagger: Es braucht Dialog, Erinnerungsarbeit – und Formate wie den Breddeviertel-Podcast, der nicht nur beobachtet, sondern mitgestaltet.
Tipp zum Weiterhören:
„Breddeviertel-Podcast aktuell“ – die neue Staffel mit Kerstin und Ralph begleitet die Transformation des Breddegartens mit fundierten Recherchen, persönlichen Geschichten und klarer Haltung. Jetzt auf allen gängigen Podcast-Plattformen hören.






